andrea witzmann | ||
Das äußere Leben ist eine Art organisiertes System, das einen Menschen genau so darstellt wie die Farben, durch die die Schnecke auf ihrem Gehäuse wiederkehrt. Balzac, Traité de la vie élegante. "Wie einen Mantel kaufen, wo einst Tiger stolzierten?", lautet die Summe meiner Schlussfolgerungen nach Betrachtung deiner Fotografien. Ich dachte ans Offensichtlichste, also gefordert zu sein das Abwesende, Nicht-Gezeigte in deinen Fotografien zu offenbaren, oder aber in gleichem Maße darauf zu verzichten. Ich bin dir gefolgt, indem ich versucht habe ein skulpturales äquivalent zu schaffen, das - ebenso wie der Marsch mit der Fotokamera (der Spaziergang?) - als projektives Werkzeug funktioniert. Es sind ja gleiche Kräfte am Werk, und ich gestehe, dass letztendlich unverhofft sich etwas in die Mitte meines Sets gedrängt hat; das ist Zugeständnis an Konvention, der Mantel der Konvention in dem Fall. Bin also am halben Weg des Verzichts stecken geblieben. Aber andererseits: ja! Unter Umständen lässt eine Skulptur sich auch machen, der Herstellung der Umstände gilt mein Augenmerk; das Ding selber entkommt nur kläglich seiner anpasslerischen Entstehung. Das war auch der umittelbare Reiz deiner Einladung zu folgen, und auf deine Arbeit zu reagieren: dass durch die Fotos immer auch das Gespür für die Umstände eines möglichen Bildes vermittelt wird, bzw. die Umstände tatsächlich gespürt werden; und aber auch die scheinbar zwingende Stelle von der aus deren latente Attraktivität (der Umstände weniger als der Bilder?) sich offenbart. (die Stelle wird dann mal die Deine heissen.) Dein Spiel mit den Tableaus (wie Plateaus) in den Bildern formt ein köstliches Archiv der knappen Abstände (von einer tatsächlich satten Wirklichkeit). Also ja: Sowieso ist das Ereignis das Bild selbst!---und aber nein: so ist das nocht nicht gesehen worden. Dem hab ich neidisch meine Dinger hinterhergeschnitzt. Also alles in allem ja: wir mühen uns weiterhin einen Rahmen zu schaffen, in dem Körper sich begegnen mögen. Seien es Waren oder dieselben bloß verunglückt. Auch das sei als wärmendes Moment nicht zu unterschätzen: Die Ware strahlt den Tresen an, so machen sich die Prothesen aneinander zu schaffen und mittendrin unsereins von Integration träumend; wie etwa: Ich kauf mir eine Hängebrücke; oder: Ich wollt mich an den Himmel heften, während die Worte sinken in mir wie Steine. Ob du wohl an morgen denkst? |
Die historiche Anekdote: Der von Rodin modellierte Mantel Balzacs- der ja das Balzac-Monumet quasi ist- kann als schützende Geste des Bildhauers verstanden werden, da ja Balzac vor allem in Nähe von Kameras um die Schichten ("Spektren") seines Körpers bangte. Was an den Bildern heftet, muss den Körpern entrissen werden! Das Brauchbare an dieser Furcht ist das Beharren auf einer nicht nur relativen Materialität eines jeden Tausches. In dem Sinne hab ich dem Tresen ein Mäntelchen entrissen- und tatsächlich um zu unterstreichen, wie wenig treu das Letzte dem Ersten bleiben mag- hat sich das (Mäntelchen) in ein Zeugs verwandelt. Die Ware strahlt den Tresen an, vielmehr als dass sie ihn umarmt. Von hier müsste man abschweifen zur ehemals populären Vermutung, dass oberflächliche Erscheinungen jeweils charakteristische, typische Wahrheiten ausdrücken -dafür steht ja angeblich auch Balzac mit seiner menschlichen Komödie, deren Realismus an den Oberflächen stattfindet. Der wärmende Effekt des Sich-Eingerichtet-Habens ist nicht zu unterschätzen. "Sag mir, was du hast, und ich werde dir sagen, was du denkst." lautet allerdings eine der drohenden Schlussfolgerungen. Oder Lavater der Oberphysiognom: "..er, der er sich in die große weite Welt gesetzt sieht, umzäunt, ummauert sich eine klein drein, und staffiert sie aus nach seinem Bilde." Dagegen schreit regelrecht die erstaunliche Deplaziertheit des Golfplatzes unter dem Vulkan und der Zauber so mancher Gleichgültigkeit in deinen Fotografien. Muss ja nicht als Degradierung empfunden werden, die Welt, muss ja nicht. Anatomien zeichnen gegen den Strich -da hab ich kläglich versucht dir zu verfolgen. Den kurzen Moment der Entrückung vom irdischen Aufruhr den du verspüren magst, wenn du dich in deine Kamera verwandelst, den entzaubert die Erdgebundenheit der bildhauerischen Ambition in ernüchternder Weise. Die Arbeit am Dingwerden -so sehr es auch das Modellieren des Blicks betont- lässt sich dauerhaft nicht in Schwebe halten. Unhandlich ist es geworden. Denn in Wirklichkeit steht die Zeit nicht still, ein Einwand Balzac's (oder Rodins?) gegen die Fotografie, der sich schnell in ein euphorisches Argument verdrehen lässt: "Da die Welt sich dreht, warte ich hier so lange, bis mein Werk vorüberkommt." In diesem Sinne, Misha. |
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